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Effizientes integriertes Thermomanagement für batterieelektrische Fahrzeuge mit hoher Reichweite

Dr.-Ing. Christian Möser | Maximilian Flack

Bei E-Fahrzeugen hängt die mit einer Batterieladung erzielbare Reichweite stark von der Außentemperatur ab. Beispielsweise verkürzt eine niedrige Außentemperatur von -7 statt 23 °C den Aktionsradius mit einer Batterieladung im WLTP-Zyklus um bis zu 40 %. Noch negativer wirkt sich ein Aufheizvorgang der kalten Komponenten des E-Antriebs und der Kabine aus tiefen Temperaturen aus. Beim Schnellladen wiederum muss die Temperatur der Batteriezellen in einem engen Fenster bei rund 40 °C gehalten werden, denn in diesem Zustand erfolgt das Aufladen besonders schnell und verlustarm. Damit hat das Thermomanagement entscheidenden Einfluss auf kundenrelevante Eigenschaften, wie Reichweite und Komfort des Fahrzeugs, und wird für die Automobilhersteller zum wettbewerbsdifferenzierenden Faktor. Schaeffler bietet einen umfassenden Baukasten unterschiedlicher Thermomanagementlösungen für E-Fahrzeuge. Die Bandbreite reicht von effizienten und flexibel einsetzbaren Einzelkomponenten über hochintegrierte Thermomanagementsysteme bis hin zu Gesamtantriebskonzepten, bei denen Motor, Getriebe, Leistungselektronik und Thermomanagement im sogenannten 4in1-System zusammengefasst und als Einheit optimiert sind.

Anforderungen an das Thermomanagement bei E-Fahrzeugen

Fahrzeuge mit rein batterieelektrischem Antrieb (im Folgenden als E-Fahrzeuge bezeichnet) zeigen nach wie vor erhebliche Potenziale hinsichtlich der mit einer Batterieladung erzielbaren Reichweite bei besonders hohen oder tiefen Außentemperaturen sowie der Dauer von Schnellladevorgängen. Die Hauptgründe sind die notwendige Konditionierung und Erhaltungsklimatisierung des Fahrzeuginnenraums bei winterlichen Temperaturen, Reibungsverluste im Antriebsstrang sowie die Verringerung des Lade- beziehungsweise Entladewirkungsgrads der Traktionsbatterie bis hin zum Wegfall der Rekuperationsfähigkeit. Auch Reibungsverluste im Getriebe aufgrund höherer Ölviskosität tragen zu einer verringerten Effizienz bei. Aufgrund des im Vergleich zu Verbrennungsmotoren hohen Wirkungsgrads elektrischer Antriebe ist deren Abwärme so gering, dass sie für die Fahrzeugkabinenklimatisierung nicht ausreicht. Zudem entspricht das verfügbare Temperaturniveau (Vorlauftemperatur) nicht den Temperaturanforderungen für eine Kabinenheizung von mindestens 50 bis 60 °C. Daher müssen zusätzliche Heizmaßnahmen vorgesehen werden. Bild 1 zeigt die typische Aufteilung des Energiebedarfs im WLTC (Worldwide harmonized Light Duty Test Cycle) bei einer tiefen Außentemperatur von -7 °C.

Bild 1: Typische Aufteilung des Energiebedarf bei -7 °C
Bild 1: Typische Aufteilung des Energiebedarf bei -7 °C

Noch negativere Auswirkungen auf den Energiebedarf hat ein Aufheizvorgang der kalten Komponenten des E-Antriebs aus tiefen Temperaturen auf die Betriebstemperatur. Eine besondere Rolle nimmt dabei die Lithium-Ionen-Batterie ein. Generell sind die Eigenschaften der chemischen Bestandteile in der Batterie wie Lithium, Nickel oder Kobalt, Graphit und Kupfer von ihrer Temperatur abhängig. Als Ideal für die Energieabgabe bei Lithium-Ionen-Batterien gelten 20 °C. Unter dieser „Wohlfühltemperatur“ fällt der Lade-/Entladewirkungsgrad der Traktionsbatterie und damit die Fahrzeugreichweite, auch ihre Lebensdauer kann sinken. Daher muss die Batterie nach Fahrtantritt bei tieferen Außentemperaturen schnell auf ihre Betriebstemperatur gebracht werden, Bild 2. Während der Fahrt ist es dann Aufgabe des Thermomanagements, die Temperatur der Lithium-Ionen-Batterie in einem Bereich von 25 bis maximal 45 °C zu halten, damit sie ihre volle Leistungsfähigkeit bei entsprechender Effizienz erbringen kann.

Bild 2: Unterschiedliche „Wohlfühltemperaturen“ von Kabine, Batterie, E-Motor und Leistungselektronik
Bild 2: Unterschiedliche „Wohlfühltemperaturen“ von Kabine, Batterie, E-Motor und Leistungselektronik

Zum Schnellladen wiederum sollte die Batterietemperatur auf etwa 40 °C erhöht werden, denn in diesem Zustand haben Lithium-Ionen-Batterien den geringsten Innenwiderstand und ermöglichen trotz ansteigender ohmscher Verluste hohe C-Raten (Verhältnis Ladestrom zu Kapazität). Das Aufladen erfolgt dann besonders schnell und verlustarm. Im Sinne kürzester Standzeiten an der Ladesäule ist es zielführend, diese Konditionierung schon während der Fahrt vorzunehmen. Beim Laden selbst heizt sich die Batterie auf. Durch einen kontinuierlichen Abtransport der Wärme aus der Batterie muss das Thermomanagement die optimale Temperatur für den Ladevorgang gewährleisten. Wird diese überschritten, muss der Ladestrom gedrosselt werden, um eine irreversible Degradation der Traktionsbatterie zu vermeiden. Die C-Rate als Ladegeschwindigkeitsindikator nimmt ab, sodass sich der Ladevorgang entsprechend verlängert. Gerade beim Schnellladen fallen äußerst hohe Verlustleistungen als Wärme an. Diese werden über das Kühlmittel- und das Kältemittelsystem, also die Klimaanlage des Fahrzeugs, abtransportiert und an die Umgebung abgegeben. Eine besondere Herausforderung stellt die Randbedingung dar, dass das Fahrzeug sich beim Ladevorgang im Stillstand befindet und dadurch die Wärmeübertragung an die Umgebung beschränkt ist.

Aufgrund der direkten Abhängigkeit zwischen dem Energiebedarf für die anforderungsgerechte Temperierung und der Batteriereichweite sowie des Einflusses auf die Schnellladefähigkeit hat das Thermomanagement bei der Entwicklung eines E-Fahrzeugs und seiner Antriebskomponenten einen besonderen Stellenwert. Daher muss das Thermomanagement dabei auch die unterschiedlichen Temperaturbereiche von Kabine, Batterie, E-Motor und Leistungselektronik berücksichtigen. Um maßgeschneiderte Lösungen für alle Kundenbedarfe in den verschiedenen Fahrzeugsegmenten und -leistungsklassen anbieten zu können, treibt Schaeffler die Entwicklung neuer Thermomanagementansätze auf mehreren Ebenen weiter:

  • Im Bauteilbereich bietet das Unternehmen einen Baukasten effizienter Einzelkomponenten, die sich flexibel in vorgegebene Systeme implementieren lassen.
  • Bei der Thermomanagementsystem-Entwicklung steht das wirkungsgradoptimale Zusammenwirken der Komponenten im Vordergrund. Aus den notwendigen Kühl- und Heizfunktionen für das spezifische Fahrzeugprojekt wird dabei auf die erforderliche Architektur und daraus auf die Komponenten geschlossen.
  • Auf der hierarchisch übergeordneten Antriebsebene entwickelt Schaeffler das Thermomanagement zusammen mit E-Motor, Getriebe und Leistungselektronik als integralen Bestandteil des Gesamtsystems [1]. In diesem 4in1-Antriebssystem, Bild 3, können die Subsysteme optimal aufeinander angestimmt werden, wodurch sich weitere Verbesserungen bei der Batteriereichweite und der Schnellladezeit erzielen lassen, ohne höhere Systemkosten in Kauf nehmen zu müssen. Das ist insbesondere für E-Fahrzeuge, die künftig in der Regel auf Plattformen aufbauen, ein wichtiger Faktor. Denn das eingesetzte Thermomanagementsystem muss dort eine hohe Leistungsskalierbarkeit aufweisen und auf verschiedene Kabinenvolumina, Komfortansprüche, Leistungsklassen und Konfigurationen des Antriebssystems anpassbar sein.

Im Folgenden werden die einzelnen Bestandteile des Thermomanagements von Schaeffler und die Gesamtsystemfunktionen anhand von Beispielen dargestellt.

Bild 3: 4in1-Antriebssystem von Schaeffler inklusive Thermomanagement
Bild 3: 4in1-Antriebssystem von Schaeffler inklusive Thermomanagement

Thermomanagementarchitektur für E-Fahrzeuge

Aus Sicht des Thermomanagements besteht das Fahrzeugsystem in erster Linie aus einzelnen Wärmequellen und -senken, die in verschiedenen Fahrsituationen unterschiedlich ineinandergreifen und dabei zusätzlich zu ihrer eigentlichen Funktion auch Aufgaben im Bereich Kühlen und Heizen erfüllen oder stellen. Neben der Umgebung, die generell eine wichtige Quelle/Senke ist, sind das bei einem E-Fahrzeug in der Regel der E-Motor, die Leistungselektronik, die Traktionsbatterie und die Fahrzeugkabine.

E-Motor

Der E-Motor von Schaeffler für das 4in1-Antriebssystem ist speziell auf alltagstaugliche Betriebsbereiche ausgelegt [1]. Durch die adaptive Temperierung über das Thermomanagement können dabei betriebspunktabhängig Effizienzvorteile bis zu 4 % umgesetzt werden. Parallel sind die E-Motoren aufgrund ihrer vergleichsweise geringen thermischen Trägheit und ihres konstruktiven Aufbaus mit direkter Ölnutkühlung, die eine unmittelbare Wärmeabfuhr erlaubt, eine wertvolle Wärmequelle. Im Thermomanagementsystem nutzt Schaeffler den E-Motor zusätzlich als elektrischen Zuheizer.

Leistungselektronik

Auch die Leistungselektronik hat im Thermokreislauf die Zusatzaufgabe einer Heizung. Durch eine geschickte Ansteuerung kann Schaeffler 5 bis 8 % der Spitzenleistung ohne Beeinträchtigung der Bauteillebensdauer als Wärme generieren. Das gilt auch bei stehendem Fahrzeug. Die Leistungselektronik liefert dann einen Statorstrom, der kein Drehmoment erzeugt. Dadurch erwärmen sich die Statorwicklungen, ohne den Motor in Rotation zu versetzen. Hinzu kommen Wärmeverluste im Blechpaket des Stators durch die einer Hysterese unterliegenden Ummagnetisierungen.

Batterie

Die Traktionsbatterie kann unter anderem als thermischer Pufferspeicher im Antriebsstrang genutzt werden. Bei der Auslegung des Batteriekühlungssystems muss dabei auf eine homogene Temperaturverteilung innerhalb der Batterie geachtet werden. Denn überproportional heiße Zonen, sogenannte Hot Spots, an einzelnen Zellen des Batteriepacks können zu Leistungseinbußen durch eine Limitierung der maximalen durchschnittlichen Batteriepacktemperatur oder sogar zu irreversiblen Schäden des Speichers führen, bis hin zum Thermal Runaway.

Kabine

Das Thermomanagement muss die für die Klimatisierung der Fahrgastzelle erforderlichen Wärmeströme mit hoher Effizienz bereitstellen. Dabei variieren die Anforderungen von Fahrzeugklasse zu Fahrzeugklasse. Um trotz der Vielfalt einen hohen Modularitätsgrad zu gewährleisten, werden bereits heute und künftig verstärkt zusätzliche fahrgastzentrierte Maßnahmen im Innenraum umgesetzt. Das umfasst beispielsweise thermisch wirkende Oberflächen oder eine gezielt gesteuerte Luftführung. Schaeffler berücksichtigt diese Möglichkeiten bei der Thermomanagementauslegung und entwickelt skalierbare Lösungen im Kühl- und Kältemittelkreis, die, abgestimmt auf die Kabinenklimatisierungsmaßnahmen, unterschiedliche Konfigurationen erlaubt.

Bild 4 zeigt eine beispielhafte Thermomanagementarchitektur von Schaeffler für ein typisches E-Fahrzeug mit einer angetriebenen Achse. Anders als bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor, bei denen für die Antriebskomponenten zumeist nur ein Kühlmittelkreiskauf eingesetzt wird, erfolgt die Temperierung der Bauteile eines E-Fahrzeugs in der Regel durch das Zusammenwirken mindestens eines Kühl- und eines Kältekreislaufs. Während beim Kühlkreislauf das Kühlmittel nur dem Wärmetransport dient und ausschließlich in der flüssigen Phase vorliegt, wird beim Kältekreiskauf das physikalische Phänomen der Energieabgabe beziehungsweise -aufnahme des Kältemittels beim Wechsel des Aggregatzustands von der flüssigen in die gasförmige Phase und umgekehrt genutzt. Bei der Auslegung des Gesamtsystems und damit auch der Spezifikation der einzelnen Komponenten folgt Schaeffler den Vorgaben an eine Betriebsstrategie, mit der alle technischen und komfortbedingten Anforderungen an das Thermomanagement mit einem einfachen Aufbau und einer geringen Bauteilanzahl erfüllt werden können. Im Fokus stehen dabei kunden- und homologationsrelevante Betriebsbedingungen, die bei der alltäglichen Nutzung des Fahrzeugs besonderes häufig vorkommen oder die einen hohen Energiebedarf verursachen.

Bild 4: Thermomanagementarchitektur mit Kälte- und Kühlmittelkreislauf
Bild 4: Thermomanagementarchitektur mit Kälte- und Kühlmittelkreislauf

Kühlmittelkreislauf

In Bild 4 (rechts) ist der Kühlmittelkreislauf zu sehen. Er realisiert den Transport, die bedarfsgerechte Übertragung und die Pufferung der Wärme. Herzstück ist das Integrated Coolant System (ICS), Bild 5, mit der integrierten Pumpe, der Sensorik für die Funktionssteuerung und dem zentralen Kühlmittelregelventil für die Verteilung der Wärmeströme. Gegenüber den bekannten Drehschieberventilen [2] ist das darin verbaute zentrale Kühlmittelregelventil, Bild 6, mit Blick auf Schaltzyklen und Temperaturbereiche für E-Fahrzeuge optimiert. Bei diesen Anwendungen ist eine Komponente gefordert, deren Schaltlogik sich modular in weitere Systeme integrieren lässt. Um dies zu erreichen, kann die Drehschieberkontur zur Wärmeverteilung auch axial aufgebaut und dadurch mit geringerer Bauhöhe dargestellt werden. Schaeffler hat das ICS als Baukasten entwickelt, sodass es an gestaffelte Fahrzeugklassen einer Plattform oder an Fahrzeuge mit Zwei- oder Vierradantrieb adaptierbar ist. Ebenso lässt sich das System für den Einsatz in einem Brennstoffzellenfahrzeug um dafür erforderliche Zusatzfunktionen erweitern, insbesondere für den Kaltbetrieb der Brennstoffzelle. Die modularen Komponenten bieten zudem eine hohe Flexibilität zur Integration in verschiedenste Bauraumsituationen. So lässt sich die Leistung der integrierten Wasserpumpe skalieren, um unterschiedliche Förderleistungen zu realisieren. Das Gleiche gilt für das Kühlmittelventil und dessen Aktor. Sensoren für Temperatur oder Füllstand sind ebenfalls integriert und können zentral verbunden werden. Die elektronische Regelung der Komponenten kann zentral in einem Steuergerät erfolgen, sodass eine LIN-Steckverbindung für die Kommunikation mit dem Fahrzeug ausreicht. Im direkten Vergleich zu der Verwendung von Einzelkomponenten reduziert sich der Bauraumbedarf des integrierten Kühlmittelsystems von rund 16 auf nur noch 8,4 l. Darüber hinaus bietet das System weitere Einsparpotenziale, die sich bis hin zur Montage ins Fahrzeug am Band des Automobilherstellers erstrecken, da nur noch sechs statt vorher 22 Montageschritte, hauptsächlich das Anschließen von Schläuchen, Rohrleitungen oder Steckern, erforderlich sind.

Bild 5: Integriertes Thermomanagementsystem für E-Fahrzeuge
Bild 5: Integriertes Thermomanagementsystem für E-Fahrzeuge
Bild 6: Zentrales Kühlmittelregelventil zur Kühlmittelverteilung
Bild 6: Zentrales Kühlmittelregelventil zur Kühlmittelverteilung

Kältemittelkreislauf

Bild 4 (links) zeigt den Kältemittelkreislauf eines beispielhaften Thermomanagementsystems von Schaeffler. Die integrierte Wärmepumpenfunktion macht die Abwärme von Motor, Leistungselektronik und Batterie nutzbar, erlaubt die Wärmegewinnung aus der Umgebungsluft und erhöht so die Gesamteffizienz. Das Wärmepumpensystem von Schaeffler bietet eine hohe Leistungszahl (Coefficient of Performance, COP). Der COP-Wert gibt das Verhältnis zwischen der erzeugten, nutzbaren Wärmeenergie und der dazu nötigen Energie an. Als Kältemittel kommt R744 (CO2) zum Einsatz. Gründe für die Nutzung sind die im Vergleich zum synthetischen Kältemittel R1234yf (Tetrafluorpropen) besseren thermodynamischen Eigenschaften, welche R744 für Wärmepumpenbetriebspunkte prädestiniert, und die höhere Umweltfreundlichkeit. Auch ist R744 nicht brennbar und gilt daher als ungefährlich. Im Bezug auf das Treibhauspotenzial (GWP, Global Warming Potential) macht der Wert von R744 mit GWP = 1 nur bis zu ein Viertel des Potenzials von R1234yf aus (GWP = 4) [3, 4] und nur ein 1430-stel von R134a.

Aus funktionaler Sicht ist die Abdeckung eines breiten Temperaturbereichs einer der Vorteile von R744. Auch bei tiefen Außentemperaturen liefern R744-Wärmepumpen noch ausreichend hohe Wärmeleistungen für die Innenraumheizung des Fahrzeugs, Bild 7 (linkes Diagramm). Demgegenüber nimmt der COP von R1234yf-Systemen bereits ab 0 °C sehr stark ab. Bei Temperaturen ab -10 °C, teilweise schon ab -5 °C, ist ein Betrieb nur mit erheblichen Zusatzaufwänden am R1234yf-System möglich. Für die Sicherstellung des Komforts in der Kabine ist in jedem Fall ein Zuheizer (COP ≤ 1) notwendig, welcher den Wirkungsgrad des Gesamtsystems wiederum deutlich verschlechtert, sodass die Vorteile der aufwändigen Maßnahmen reduziert werden.

Bild 7: Vergleich der Leistungszahlen (COP) von R744 und R1234yf bei verschiedenen Außentemperaturen
Bild 7: Vergleich der Leistungszahlen (COP) von R744 und R1234yf bei verschiedenen Außentemperaturen

Der Grund liegt in den unterschiedlichen thermodynamisch-physikalischen Eigenschaften der beiden Stoffe: Um der Umgebungsluft bei kalten Temperaturen Wärme entziehen zu können, muss der Verdampfungsprozess bei noch tieferer Temperatur (und damit niedrigerem Druck) stattfinden. R744 ermöglicht selbst bei Verdampfungsenddrücken (also dem Saugdruck für den Kompressor) von 10 bis 20 bar Verdampfungstemperaturen weniger -20 °C. Infolgedessen kann der Umgebungsluft sogar bei einer Außentemperatur von -20 °C noch Wärme entzogen werden. Bei R1234yf hingegen ist der Saugdruck unter diesen Bedingungen so niedrig, dass der Kompressor ein sehr hohes Druckverhältnis aufbringen müsste, wobei ein effizienter Betrieb nicht mehr möglich wäre (COP ≤ 1,0). Ferner läuft das System dann Gefahr, dass der Saugdruck sogar unter atmosphärischen Druck abfallen kann und die Dichtheit des Gesamtsystems nicht mehr gewährleistet ist.

Bei hohen Temperaturen mit maximalem Kühlungsbedarf wiederum stößt der R1234yf-Kreislauf durch die im Vergleich zu R744 geringere volumetrische Kälteleistung an seine Grenzen, Bild 7 (rechtes Diagramm). Infolgedessen müssen die Komponenten des R1234yf-Kältekreislaufs für identische Kälteleistungen sehr groß dimensioniert werden, was einerseits den Bauraumbedarf im Fahrzeug erhöht und andererseits den Wirkungsgrad je nach Betriebspunkt verringern kann. Gerade bei Scrollkompressoren (heute Stand der Technik) muss das Hubvolumen um den Faktor 2 bis 3 erhöht werden, um die Batteriekühlung auch während des Schnellladevorgangs bei gegebenenfalls gleichzeitiger Konditionierung der Kabine sicherstellen zu können. Diese notwendige Vergrößerung des Kom­pres­sor­hub­vo­lu­mens bei Scrollverdichtern stellt eine Herausforderung für die mechanische Bauteilentwicklung dar.

Um die theoretischen Vorteile von R744 auch praktisch umzusetzen, hat Schaeffler den gesamten Kältemittelkreislauf auf die Besonderheiten des CO2-Systems abgestimmt. Ein CO2-Kältekreislauf arbeitet aufgrund der anderen Dampfdrucklinie von R744 mit einem deutlich höheren Druck als einer mit R1234yf, was bei einer unzureichenden Systemauslegung zu einem Wirkungsgradverlust führen könnte. Aus Industrie- und Stationäranwendungen sind im Zusammenhang mit R744-Systemen zweistufige Kompressoren bekannt, die über einen Mitteldruckeingang verfügen. Schaeffler wendet diesen Ansatz zum weltweit ersten Mal für den Automobilbereich an und hat ein entsprechendes Konzept für E-Fahrzeuge entwickelt.

Bei konventionellen einstufigen Kältemittelkreisläufen wird das Kältemittel durch den Kompressor vom Nieder- auf das Hochdruckniveau verdichtet und dann über Kondensator, Expansionsventil und Verdampfer wieder auf Niederdruckniveau zurückgeführt. Beim Mitteldruckprozess hingegen durchläuft komprimierte und im Gaskühler gekühlte R744 zwei Expansionsphasen: Die erste Entspannung endet auf dem Mitteldruckniveau, das R744 liegt dabei teilweise flüssig und teilweise gasförmig vor. Die gasförmige Phase wird dem Kompressor zugeführt. Der verbleibende flüssige Anteil hingegen durchläuft quasi einen zweiten Kreislauf: Er wird über ein weiteres Expansionsventil expandiert und danach über einen relativ breiten Enthalpiebereich verdampft. Es strömt dann in die Niederdruckstufe des Verdichters ein, wo es wieder auf Hochdruckniveau komprimiert wird. Durch den Mitteldruckprozess reduziert sich der Massenstromanteil, den der Kompressor vom Nieder- auf das Hochdruckniveau verdichten muss. Dies ermöglicht einen effizienteren Betrieb des Kompressors im Vergleich zu einem einstufigen Prozess. Zudem erfolgt durch das Mitteldruckgas eine Zwischenkühlung im Kompressor, was den Kreisprozess weiter optimiert.

Rollkolbenkompressor

Konstruktionsbedingt ermöglichen die bei heutigen E-Fahrzeugen eingesetzten Scrollkompressoren keine sinnvolle Integration eines Mitteldruckeingangs, denn der zusätzliche Einlass wäre nur sehr kurzzeitig geöffnet. Schaeffler nutzt daher für das Konzept mit Mitteldruckeingang Rollenkolbenkompressoren. Das Kältemittel wird dabei in einer geschlossenen zylinderförmigen Kammer verdichtet, an dessen Innenwand ein exzentrisch gelagerter Kreiskolben abrollt. Da der Zylinder von außen gut zugänglich ist, kann der Mitteldruckeingang fast über den gesamten Rotationswinkel genutzt werden.

Schaeffler bietet Rollkolbenkompressoren mit und ohne Mitteldruckeingang an, sodass den Anforderungen unterschiedlicher Fahrzeugapplikationen Rechnung getragen werden kann. Hierbei wird ein höherer Wirkungsgrad mit R744 als bei üblichen elektrifizierten Scrollverdichtern erreicht. In der aktuellen Konfiguration hat die skalierbare Rollkolbenkompressor-Baureihe von Schaeffler mit Mitteldruckeingang in Ein-, Zwei-, Drei- und Vierzylinderausführung folgende technische Werte:

  • Fördervolumen: 4,5 bis 18 cm3
  • Kälteleistung: maximal 18 kW bei 8.000/min
  • mechanische Antriebsleistung: 5 bis 13 kW
  • Versorgungsspannung: 800 V.

Funktionsintegration

Bei der Entwicklung der Komponenten für den Kühl- und Kältemittelkreislauf verfolgt Schaeffler einen Plattformgedanken. Dadurch kann das Gesamtsystem flexibel auf unterschiedliche Anforderungen ausgelegt werden. So ist beispielsweise eine Konfiguration mit und ohne Wärmepumpenfunktion im Kältekreislauf und mit unterschiedlichen Leistungen des Kältesystems möglich. Wie schon am Beispiel des ICS dargestellt, stellt die ausgeprägte Modularität eine Besonderheit des Konzepts von Schaeffler dar. Eine weitere ist die maximierte Leistungsdichte durch den hohen Integrationsgrad. Hierfür wird eine Vielzahl von Funktionen aus dem Thermomanagement und Vortrieb mit den dafür benötigten Bauteilen in einer Konstruktionseinheit vereint und die Anzahl an Schnittstellen zwischen den einzelnen Bauteilen minimiert. Ein Beispiel ist die Kältemittelverteilplatte, die viele Komponenten des Wärmepumpenkreislaufs wie Expansionsventile, Kältemittelkanäle und Separator/Akkumulator zusammenfasst. Durch diese zentrale Anordnung lässt sich das Gesamtsystem leichter integrieren. Somit reduziert sich der Montageaufwand beim Automobilhersteller, denn viele Komponenten werden vormontiert geliefert. Zudem entfällt eine komplizierte Verlegung von Rohr- und Schlauchleitungen bei gleichzeitig guter Zugänglichkeit im Servicefall.

4in1-Antriebssystem

Besonders hohe Einspar- und Effizienzpotenziale beim Thermomanagement hebt Schaeffler durch die Systemintegration im 4in1-Antriebsmodul, Bild 8. Dabei sind E-Motor, Getriebe, Leistungselektronik und Thermomanagement zu einer Einheit zusammengeführt. Durch die Anpassung der jeweiligen Bauteile und Komponenten an die Anforderungen des Gesamtsystems lassen sich die Funktionen für einzelne Betriebspunkte gezielt optimieren, sodass die Systemarchitektur bei identischer oder sogar höherer Leistungsfähigkeit und Effizienz vereinfacht werden kann. Durch den resultierenden Mehrwert für die Kunden ergibt die Summe der Einzelsysteme (E-Motor, Getriebe, Leistungselektronik plus Thermomanagement – „3 plus 1“) im 4in1-Modul damit mehr als vier.

Bei der Auslegung des 4in1-Systems kann der Schwerpunkt je nach Anforderung flexibel auf jeweils individuelle Leistungsparameter gelegt werden. Für den Antrieb eines Fahrzeugs des C-Segments mit Frontantrieb, 2.000 kg Gesamtgewicht, einer Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h und einem Beschleunigungsvermögen von 7,5 s von 0 auf 100 km/h ergibt sich diese beispielhafte Systemkonfiguration:

  • Statornutgekühlter 800-V-Traktionsmotor mit 160 kW Leistung und einer zentralen Hydraulikversorgung
  • wirkungsgradoptimiertes achsparallelen Getriebe (Achsmoment 3.200 Nm)
  • R744-Kältekreislauf mit Mitteldruckniveau für die maximale Effizienz
  • Kühlkreislaufsystem, das zum Großteil im Gehäuse der anderen Baugruppen Platz findet
  • Zentralelektronik, die als Domaincontroller agiert und zudem die mit Silizium-Carbid(SiC)-Halbleitern bestückten Leistungsstufen für den Traktionsmotor und den Klimakompressor aufnimmt.
Bild 8: 4in1-Antriebsmodul mit E-Motor, Getriebe, Leistungselektronik und Thermomanagement
Bild 8: 4in1-Antriebsmodul mit E-Motor, Getriebe, Leistungselektronik und Thermomanagement

Bild 9 zeigt die Ergebnisse einer Simulation des Systems im Testzyklus des WLTP (Worldwide harmonized Light Vehicles Test Procedure) bei einer tiefen Außentemperatur von -7 °C. Gegenüber einem konventionellen, nichtmodularen Antriebssystem (blaue Kurve) bietet das 4in1-Konzept von Schaeffler (grüne Kurve) erhebliche Einsparpotenziale. Je nach Auslegung der Fahrzeugapplikation können die Automobilhersteller die Energieeinsparung dazu nutzen, die Traktionsbatterie kleiner und damit kostengünstiger zu machen oder bei unveränderter Batteriegröße eine größere Reichweite zu erzielen.

Bild 9: Vergleich des Energieverbrauchs im WLTP-Testzyklus bei -7 °C
Bild 9: Vergleich des Energieverbrauchs im WLTP-Testzyklus bei -7 °C

Zusammenfassung

Bei E-Fahrzeugen hängen die mit einer Batterieladung erzielbare Reichweite und die Ladezeit stark von der Außentemperatur ab. Damit hat das Thermomanagement entscheidenden Einfluss auf kundenrelevante Eigenschaften des Fahrzeugs und wird für die Automobilhersteller zum wettbewerbsdifferenzierenden Faktor. Parallel werden durch neue Regularien und Verfahren wie dem -7-°C-Zyklus des WLTP und Green NCAP die im Rahmen der Homologation betrachteten Temperatur- und Betriebsbereiche weiter vergrößert. Das bedeutet, dass die Vorteile eines effizienten und effektiven Thermomanagements steigen. Schaeffler bietet einen umfassenden Baukasten unterschiedlicher Thermomanagementlösungen für E-Fahrzeuge. Das umfasst sowohl Kühl- als auch Kältemittelkreisläufe mit Wärmepumpensystemen. Bei der Auslegung des Gesamtsystems und damit letztlich auch der Spezifikation der einzelnen Komponenten folgt Schaeffler den Vorgaben an eine Betriebsstrategie, mit der alle technischen und komfortbedingten Anforderungen an das Thermomanagement mit einem einfachen Aufbau und einer geringen Bauteilanzahl erfüllt werden können. Die Bandbreite der Schaeffler-Lösungen reicht von effizienten und flexibel einsetzbaren Einzelkomponenten über hochintegrierte Thermomanagementsysteme bis hin zu Gesamtantriebskonzepten, bei denen Motor, Getriebe, Leistungselektronik und Thermomanagement als Einheit zusammengefasst und im System optimiert sind.

Das Wärmepumpensystem von Schaeffler bietet auf kleinsten Bauraum eine hohe Effizienz. Diese erhöht die Reichweite von E-Fahrzeugen bei unveränderter Batteriekapazität oder schafft Raum für ein Batterie-Downsizing mit entsprechender Kostendegression bei gleichbleibendem Aktionsradius. Die Ausrichtung auf das umweltfreundliche und nicht brennbare Kältemittel R744 verspricht dabei Zukunftssicherheit für die Automobilhersteller. Als optionale Erweiterung für den skalierbaren und effizienten Kältemittelverdichter bietet Schaeffler die Integration des Mitteldruckprozesses an, der weiteres Effizienzpotenzial auf Systemebene hebt. Schaeffler wendet diesen Ansatz zum weltweit ersten Mal für den Automobilbereich an.

Auf der Antriebsebene integriert Schaeffler das Thermomanagement zusammen mit E-Motor, Getriebe und Leistungselektronik zu einem 4in1-Antriebssystem. Im Verbund können die Subsysteme optimal aufeinander angestimmt werden, wodurch sich weitere Verbesserungen bei der Batteriereichweite und der Schnellladezeit erzielen lassen, ohne höhere Systemkosten in Kauf nehmen zu müssen. Durch den resultierenden Mehrwert für die Kunden ergibt die Summe der Einzelsysteme (E-Motor, Getriebe, Leistungselektronik plus Thermomanagement – „3 plus 1“) damit mehr als vier.

[1] Pfund, T.: Effiziente Industrialisierung innovativer Elektromotoren und Leistungselektronik. Bühl: Schaeffler Kolloquium, 2022

[2] Tuncay, V.; Weiß, M.: Intelligentes Thermomanagement für hybride Antriebsstränge. Baden-Baden: Schaeffler Kolloquium, 2018

[3] Infraserv GmbH & Co. Höchst KG (Hrsg.): Das Kältemittel R 1234yf und seine Eigenschaften.https://www.infraserv.com/de/leistungen/facility-management/expertenwissen/f-gase/kaeltemittel/spezifische-kaeltemittel/, abgerufen am 25 November 2021

[4] Großmann, H.; Böttcher, C.: Pkw-Klimatisierung. Heidelberg: Springer, 2020

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