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Neues Schweben in Wuppertal

Schneller, komfortabler und noch sicherer wollen die Wuppertaler Stadtwerke ihre Fahrgäste mit der neuen Schwebebahn ans Ziel bringen. Dafür investierten sie 122 Millionen Euro in 31 moderne Fahrzeuge. Das Schaeffler-Werk in Wuppertal ist als Lieferant der ersten Stunde auch bei der neuen Bahn wieder an Bord.

Im Schwebezustand über den Fluss

Es war keine leichte Aufgabe, die die Stadtväter von Barmen, Elberfeld und Vohwinkel gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu meistern hatten. Um die Pferdebahnen zu ersetzen, die sich in den engen Gassen stauten, wollten sie im Tal der Wupper eine elektrische Bahn installieren. Doch das Gebiet war bereits hoch industrialisiert und dicht besiedelt, für eine Straßenbahn gab es eigentlich keinen Platz. Die Lösung fand ein Zuckerfabrikant aus Köln: Eugen Langen, der bereits mit Nikolas August Otto an Gasmotoren getüftelt hatte, entwickelte für das spätere Wuppertal die heute weltberühmte Schwebebahn. Im Dezember 1894 erhielt er den Zuschlag für sein Konzept, bei dem die Bahnen in luftiger Höhe an Schienen hängen, die von Pendelstützen getragen werden. Der große Vorteil: Auf diese Weise konnten weite Teile der 13,3 Kilometer langen Strecke von Barmen über Elberfeld nach Vohwinkel und zurück über die Wupper gebaut werden, die sich durch das Tal schlängelt. 1901 absolvierte die Bahn als Einschienen-Hängebahn ihre Jungfernfahrt.

Die vierte Generation der Schwebebahnwagen bringt ihre Fahrgäste schneller, komfortabler und noch sicherer ans Ziel.
Die vierte Generation der Schwebebahnwagen bringt ihre Fahrgäste schneller, komfortabler und noch sicherer ans Ziel.

Neue Wagen mit leistungsstarken Elektromotoren und robusten Antriebskomponenten

Bis heute ist die Strecke gleich geblieben und wird pro Jahr von bis zu 24 Millionen Fahrgästen genutzt. „Da die Bahn ihren Schwerpunkt unterhalb der Befestigungsachse hat und sich in Kurven um bis zu 15 Grad neigt, kann sie hängend in den engen Kurvenradien über dem Fluss schneller fahren, als wenn sie sich auf den Gleisen befinden würde“, erläutert Thomas Kaulfuss, Betriebsleiter der Schwebebahn bei den Wuppertaler Stadtwerken. Seit Mitte Dezember 2016 nehmen die Stadtwerke die vierte Generation der Schwebebahnwagen nach und nach in Betrieb, nachdem die Trasse von den 1990er Jahren bis 2014 abschnittsweise komplett neu gebaut wurde. „Die bisherigen Wagen stammen noch aus dem Jahr 1972 und haben ausgedient“, berichtet Kaulfuss. Die 31 neuen Wagen sind mit leistungsstarken Elektromotoren, robusten Antriebskomponenten und einer steiferen Karosserie ausgestattet, im Innenraum sollen LED-Beleuchtung, gepolsterte Sitze und Teilklimatisierung den Fahrgästen mehr Komfort bieten.

Lieferant der ersten Stunde

Hans Zirwes ist sich der historischen Bedeutung der Schwebebahn bewusst. Der Leiter des Schaeffler-Werks in Wuppertal ersteigerte einen der Waggons, die nach und nach aus dem Betrieb genommen werden. „Den werden wir auf unserem Werksgelände aufstellen. Der Waggon mit der Nummer elf könnte ein Pausenraum werden, wir sammeln noch Vorschläge“, berichtet Zirwes.

Schon 1901 lieferte das Wuppertaler Werk, das damals noch unter dem Namen Jaeger firmierte und später von FAG übernommen wurde, Lager und weitere Komponenten an die Schwebebahn. Auch in den neuen Wagen kommen Bauteile zum Einsatz, die in Wuppertal gefertigt werden. So liefert Schaeffler sowohl einreihige Zylinderrollenlager als auch zweireihige Kegelrollenlager für das Herzstück der Schwebebahn: Das Drehgestell mit integriertem Antrieb, das die Verbindung zwischen Kabine und Fahrbahn darstellt. Insgesamt liefert Schaeffler Komponenten im Auftragsvolumen von rund einer Million Euro für das Wahrzeichen der Stadt; neben den Radiallagern gehören dazu auch Drehverbindungen, Radsatzlagergehäuse und Achsträger.

Drehgestell mit integriertem Antrieb
Drehgestell mit integriertem Antrieb
Kegelrollenlager im Achsträger an der Innenseite des Drehgestells
Kegelrollenlager im Achsträger an der Innenseite des Drehgestells

Die Entwicklung und Fertigung der Komponenten war dabei kein ganz alltägliches Projekt. „Am Schaeffler-Standort in Wuppertal haben wir natürlich eine besonders emotionale Beziehung zur Schwebebahn“, berichtet Zirwes. Denn in der Region dient die Bahn nicht nur dem reinen Personentransport, sondern ist auch ein beliebtes Ausflugsziel, vor allem bei Familien mit Kindern.

Die Wuppertaler Schwebebahn ist einmalig auf der Welt, und wir sind stolz darauf, mit unseren Wälzlagern und Komponenten zu einem zuverlässigen und sicheren Betrieb beizutragen.

Zirwes sieht darin auch ein Aushängeschild für das gesamte Bahngeschäft, das in seinem Werk eine wichtige Rolle spielt: Neben Produkten für die Schwerindustrie, für Baumaschinen und für Windkraftanlagen haben Lager für Bahnanwendungen einen erheblichen Anteil an der Produktion in Wuppertal.

Hans Zirwes leitet das Schaeffler-Werk in Wuppertal.
Hans Zirwes leitet das Schaeffler-Werk in Wuppertal.

Weltweit im Bahngeschäft aktiv

Egal, ob es um Hochgeschwindigkeitszüge in Deutschland oder Frankreich, um neue Bahnen in Russland, China und Nordamerika oder um Schwerlastwaggons für den Erztransport in Australien geht: In den Schienenfahrzeugen verrichten die Radsatz- und Getriebelager, die jeden Monat in Wuppertal gefertigt werden, zuverlässig ihren Dienst. Um das zu erreichen, begleitet bei jedem neuen Serienanlauf ein sogenannter Launch Manager den gesamten Prozess, der die Spezifikation durch die Anwendungsentwickler am Schaeffler-Standort in Schweinfurt zur Grundlage hat und bis hin zum fertigen Produkt reicht. „Auf Basis der Produktbeschreibung legen wir zunächst die notwendigen Arbeitsschritte in der Produktion fest und koordinieren die Auswahl der Lieferanten und die Beschaffung extern zugelieferter Komponenten“, beschreibt Andreas Quint, der als Launch Manager die Produktion der Lager für die Wuppertaler Schwebebahn begleitete. „Dann gehen wir in die Fertigungsplanung und legen einen genauen Zeitplan fest. Vor jeder Serienproduktion erstellen wir Muster, die von unserer Qualitätssicherung oder auch direkt vom Kunden geprüft werden.“

Untersuchung eines Bahnlagers unter UV-Licht auf Risse
Untersuchung eines Bahnlagers unter UV-Licht auf Risse
Jedes einzelne Bahnlager wird auf Einschlüsse im Material und auf mögliche Risse untersucht.
Jedes einzelne Bahnlager wird auf Einschlüsse im Material und auf mögliche Risse untersucht.

Da kann es dann auch sein, dass die Kunden direkt an die Montagelinie nach Wuppertal kommen, um den Schaeffler-Mitarbeitern ihre Fragen zu stellen und um sich die Fertigungsschritte und den Montageablauf erklären zu lassen. Der reicht von der Anlieferung der Rohlinge über die Wärmebehandlung in den Härteöfen bis hin zur mechanischen Bearbeitung wie dem Drehen und dem Honen, um die Oberflächen der Laufbahnen zu glätten. Mit einer zerstörungsfreien Prüfung wird anschließend jedes einzelne Bahnlager auf Herz und Nieren untersucht: erst mit Ultraschall auf Einschlüsse im Material, dann in einer sogenannten Flux-Anlage mit einem magnetisierten Metallpulver unter UV-Licht auf mögliche Risse. „Die Sicherheit im Rad-Achse-System steht bei uns an erster Stelle“, betont Quint. „Das ist nicht zuletzt auch bei den Lagern für die Schwebebahn sehr wichtig.“

Sicherheit an oberster Stelle

Beim Betrieb eines Verkehrsmittels wie der Wuppertaler Schwebebahn bedeutet Sicherheit nicht nur, Unfälle zu vermeiden. Sie umfasst auch den zuverlässigen Betrieb ohne Ausfälle von Bauteilen, die zum Stillstand der Bahn führen können. „Wir haben hohe Anforderungen an die Verfügbarkeit unserer Fahrzeuge, denn alleine das ist schon sicherheitsrelevant“, gibt Betriebsleiter Thomas Kaulfuss zu bedenken. „Denn bliebe beispielsweise die Bahn auf offener Strecke stehen, könnte Panik entstehen. Die Fahrgäste können dann ja nicht aussteigen“.

Da jeder Wagenteil jetzt von einer eigenen Antriebselektronik gesteuert wird, können wir auch dann weiterfahren, falls ein Motor ausfallen sollte.

Thomas Kaulfuss setzt auf zuverlässige und robuste Schaeffler-Lager für die neuen Waggons. Je Wagenteil haben diese ein Drehgestell vorne und hinten mit zwei Rädern, die beide angetrieben werden.
Thomas Kaulfuss setzt auf zuverlässige und robuste Schaeffler-Lager für die neuen Waggons. Je Wagenteil haben diese ein Drehgestell vorne und hinten mit zwei Rädern, die beide angetrieben werden.

„Die neuen Waggons haben je Wagenteil ein Drehgestell vorne und hinten mit zwei Rädern, die beide angetrieben werden. Da jeder Wagenteil jetzt von einer eigenen Antriebselektronik gesteuert wird, können wir auch dann weiterfahren, falls ein Motor ausfallen sollte.“ Bislang war das nur mit einem eigens entwickelten Notfahrt-Modus möglich. Der zuverlässige Fahrbetrieb ist auch deswegen wichtig, weil die Bahn im Karussellbetrieb fährt, ähnlich wie ein Paternoster: Am jeweiligen Streckenende wenden die Bahnen in einer Neun-Meter-Kurve und fahren in die andere Richtung weiter. Das hat zur Folge, dass alle Waggons stillstehen, sollte auch nur ein Fahrzeug ausfallen.

Mit den neuen Bahnen soll das vermieden werden. Denn die Entwickler haben zahlreiche Rückfallebenen für allen denkbaren Szenarien vorgesehen, so auch einen Sicherheitsbügel, der das Entgleisen unmöglich macht oder einen Mechanismus, mit dem etwa bei einem Getriebeschaden einzelne Räder aus dem System genommen werden können. Das Konzept des Konstrukteurs Eugen Langen ist auch nach hundert Jahren aktueller denn je. Auch wenn es sich bei dem Wuppertaler Wahrzeichen technisch gesehen gar nicht um eine Schwebebahn handelt. Freilich war das dem Erfinder durchaus klar. Überliefert sind seine Worte: „Ein System der hängenden Wagen. Ich habe das Ding ‚Schwebebahn’ getauft.“

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