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Die USA: Schaeffler und das Partnerland der Hannover Messe

Die Vereinigten Staaten sind nicht nur Partnerland der Hannover Messe 2016, sondern auch der wichtigste Überseemarkt für den deutschen Maschinenbau. Schaeffler profitiert durch starke lokale Präsenz erheblich vom Wirtschaftswachstum der USA.

Produkte aus Fort Mill gefragter denn je

Der „Blaue Zug“ verbindet den Süden der Stadt Charlotte in North Carolina mit dem Zentrum.
Der „Blaue Zug“ verbindet den Süden der Stadt Charlotte in North Carolina mit dem Zentrum.

Sie nennen ihn den „Blauen Zug“, auch wenn es sich eigentlich um eine Straßenbahn handelt. Erst 2007 wurde die Linie in der Stadt Charlotte eröffnet – eine Milliardeninvestition mit Symbolkraft. Nun erweitert der Betreiber die Strecke, künftig soll auch die Universität angebunden werden.

Die Bahnstrecke stellt nicht die einzige Baustelle in Charlotte dar, überall sind Absperrungen, Kräne und Bauarbeiter zu sehen. Als Finanzmetropole des Südens profitiert die Stadt von dem wirtschaftlichen Aufschwung, den die USA seit der Finanz- und Immobilienkrise Ende des vergangenen Jahrzehnts nahmen. Allein im Jahr 2015 wuchs die US-Wirtschaft um 2,4 Prozent.

Die US-Zentrale von Schaeffler in Fort Mill liegt nur wenige Meilen vom Flughafen Charlotte entfernt, direkt hinter der Grenze zum Bundesstaat South Carolina. Auch an diesem Standort wird gebaut. In nur wenigen Monaten entsteht eine Werkserweiterung. Sie wird dringend benötigt, um die starke Nachfrage nach Komponenten für Automatikgetriebe zu befriedigen, die hier gefertigt werden. Anfang April war Spatenstich – und schon im Sommer sollen die ersten Maschinen in den Neubau einziehen.

Die Nachfrage nach unseren Produkten ist in den letzten Jahren geradezu explodiert.

Werkleiter Dr. Sebastian Beetz und sein Team haben alle Hände voll zu tun, um das Wachstum zu stemmen.
Werkleiter Dr. Sebastian Beetz und sein Team haben alle Hände voll zu tun, um das Wachstum zu stemmen.

Schaeffler profitiert nicht nur von einem boomenden Automarkt, der 2015 zu mehr als 17 Millionen Neuzulassungen führte. Sondern auch von den Vorschriften, die die US-Autobauer zwingen, den Kraftstoffverbrauch Jahr für Jahr zu verringern. Die US-Regeln unterscheiden sich von den europäischen Richtlinien. Der von den Herstellern zu erzielende Flottenverbrauch hängt davon ab, wie groß die verkauften Fahrzeuge sind. Doch im Jahr 2025 müssen Pkw ähnliche Werte erreichen, wie sie in Europa ab dem Jahr 2021 gelten.

„Das führt dazu, dass immer mehr Hersteller auf Automatikgetriebe mit acht, neun oder zehn Gängen setzen“, so Beetz. Der deutsche Produktionsfachmann leitet das Werk 3 seit Herbst vergangenen Jahres. „Wir nutzen das Momentum aus der guten Auftragslage, um in die Zukunftsfähigkeit unserer Produktion zu investieren.“

Immer mehr Resonanz finden in den USA auch die Systeme, die Schaeffler für Hybrid- und Elektroantriebe entwickelt. Besonders für große Geländewagen oder die beliebten Pick-ups sind Hybridantriebe ein probates Mittel, den Kraftstoffverbrauch deutlich zu senken, ohne die Reichweite zu verringern. Ein großer Markt: Immerhin jedes zweite in den USA verkaufte Auto fällt in diese Kategorie, von den Amerikanern „Light Trucks“ genannt.

Präzisionslager für die Luft- und Raumfahrt aus Danbury

Es zahlt sich aus, dass Schaeffler bereits heute mehr als 70 Prozent der in der Region „Americas“ ausgelieferten Komponenten dort auch fertigt. In manchen Abnehmerbranchen ist die Lokalisierung sogar zwingend, beispielsweise im Bereich Aerospace. Anfang der neunziger Jahre übernahm FAG den traditionsreichen Luftfahrtzulieferer Barden. „Für die Airlines ist die Verringerung des Treibstoffverbrauchs schon lange ein wichtiges Ziel“, erläutert Peter Enright, der das Luftfahrtgeschäft in der Region verantwortet.

Präzisionslager von Barden finden sich in den Triebwerken nahezu aller Hersteller. Zum Beispiel in einer neuen Triebwerk-Generation, die auf das Getriebe-Lüfterrad-Konzept setzt. Dabei wird das große Lüfterrad am Lufteinlass der Triebwerksgondel nicht mehr direkt von der Turbinen-Hauptwelle angetrieben, sondern über ein zweistufiges Getriebe. Dadurch ist es möglich, das Lüfterrad langsamer und die Turbine mit höherer Drehzahl zu betreiben. Der Verbrauch sinkt mit dem Getriebe-Lüfterrad um rund 15 Prozent, der Lärm sogar um bis zu 50 Prozent.

In Danbury werden gebrauchte Luftfahrtlager begutachtet und repariert.
In Danbury werden gebrauchte Luftfahrtlager begutachtet und repariert.

Gebrauchte Lager wiederaufbereiten

Lager für die Luftfahrtindustrie sind immer Spezialanfertigungen. Befinden sich in einem Triebwerk 250 Lager, so unterscheiden sie sich alle voneinander. „Die damit verbundenen Kosten machen die Aufarbeitung gebrauchter Lager interessant“, sagt Enright. Danbury ist eines von weltweit fünf Zentren, in denen Schaeffler gebrauchte Luftfahrtlager im Kundenauftrag begutachtet und gegebenenfalls auch repariert.

Immer häufiger werden neue Triebwerke nicht mehr gekauft, sondern nach dem Prinzip „Power per hour“ bezahlt. Das macht eine schnelle und effektive Wartung besonders interessant. Längst arbeitet Schaeffler nicht mehr nur Lager aus eigener Herstellung auf, sondern auch die von anderen Anbietern. „Das Wartungsgeschäft wächst rund doppelt so schnell wie das mit neuen Komponenten“, sagt Enright.

USA profitieren von wachsender Bevölkerung und günstiger Energie

Auch wenn das Wirtschaftswachstum in den Vereinigten Staaten vor allem durch den privaten Konsum befeuert wird, ist das Land dennoch nach wie vor eine industrielle Weltmacht. Rund 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entfallen auf die Industrieproduktion.

Zwei Faktoren machen das Land für Investoren besonders interessant:

  • Die Bevölkerung wächst.
  • Energie ist billig.

Nach Angaben des Census Bureau leben 40 Millionen Menschen mehr in den USA als noch zur Jahrtausendwende. Damit wächst nicht nur der Markt, sondern auch das Reservoir an Arbeitskräften. Um die zu qualifizieren, hat Schaeffler in Fort Mill mittlerweile eine dreijährige Berufsausbildung nach deutschen Standards eingeführt.

Die Preise für Erdgas und Erdöl sind innerhalb der letzten Dekade deutlich gesunken. Ein wesentlicher Grund ist die erhöhte Schiefergasproduktion, die zwischen 2005 und 2015 um 42 Prozent stieg. Die Gewinnung von Erdöl aus Schieferschichten führt zu einer weitgehenden Unabhängigkeit von Erdölimporten. Anfang 2016 wurde sogar das 40 Jahre geltende Exportverbot für Rohöl aufgehoben. Dementsprechend billig ist Industriestrom, der teilweise für umgerechnet sechs Eurocent pro Kilowattstunde verkauft wird.

Hersteller von Windkraftanlagen entdecken den US-Markt

Trotz der niedrigen Preise für fossile Energie ist das Land auch für die Hersteller von Windkraftanlagen ein attraktiver Markt. Viele Bundesstaaten haben den Energieversorgern feste Quoten für den Anteil erneuerbarer Energien vorgeschrieben. Landgestützte Windkraftanlagen mittlerer Leistung sind an vielen Standorten der kostengünstigste Weg, um die Quote zu erfüllen.

„Auch hier kommt uns unsere lokale Präsenz zugute“, sagt Eric Ovendorf, der das Industriegeschäft von Schaeffler in den Vereinigten Staaten verantwortet. Denn nicht nur US-Unternehmen, sondern auch die Turbinenhersteller aus Übersee fertigen in den USA – und wollen auch ihre Komponenten vor Ort beziehen. Hinzu kommt, dass Schaeffler technische Lösungen entwickelt hat, die einen wartungsarmen Betrieb ohne Ausfälle ermöglichen. „Gerade in einem Land, in dem die Produktion regenerativen Stroms nicht subventioniert wird, ist das ein entscheidender Vorteil“, so Ovendorf.

USA treiben digitale Produktion voran

Auf der Hannover Messe 2016 steht die digitale Produktion der Zukunft im Fokus. Unter dem Stichwort „Industrie 4.0“ werden in Deutschland zahlreiche Forschungsvorhaben finanziert, die den Nutzen einer digital vernetzten Produktion aufweisen sollen. Was nur Experten wissen: Auch die US-Industrie treibt das Thema intensiv voran. Schon 2014 wurde ein „Industrial Internet Consortium“ (IIC) gegründet, dem mittlerweile mehr als 230 Unternehmen angehören. Das IIC kooperiert seit dem vergangenen Jahr mit der deutschen „Plattform Industrie 4.0“.

Auch hierzulande wächst das Interesse an vernetzter Produktion, auch wenn bei konkreten Anwendungen noch Zurückhaltung herrscht.

„Wir wissen, wie man Sensoren in Maschinenlager integriert, um Daten über die Nutzung zu gewinnen. Und wir können anhand der Daten den Maschinenzustand immer besser analysieren“, erklärt Ovendorf. Auf der Hannover Messe präsentiert Schaeffler unter dem Motto „Predictive Maintaince“, wie solche Analysen genutzt werden können, um die Wartung von Maschinen so zu planen, dass die Stillstandszeiten minimiert werden – nicht nur für Besucher aus dem Partnerland USA. Die allerdings dürften zahlreich sein. Denn die Vereinigten Staaten sind laut VDMA für deutsche Maschinenbauer im Jahr 2015 wieder der wichtigste Absatzmarkt weltweit geworden.

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