Den optimalen Wartungszeitpunkt vorhersagen
Gestern klang es nach Science Fiction – heute stellt Schaeffler erste Lösungen für die vorausschauende Wartung vor. Die automatisierte Wälzlagerdiagnose und die Berechnung der Restlaufzeit von Wälzlagern sind wichtige Komponenten für Industrie 4.0.
Automatisierte Wälzlagerdiagnose

Auf der Hannover Messe 2016 zeigt Schaeffler neue Lösungen für die vorausschauende Wartung, die sogenannte Predictive Maintenance. Damit können Fabriken optimal ausgelastet werden, und Wartungsintervalle werden planbarer.
Eine Voraussetzung für Predictive Maintenance ist die automatisierte Wälzlagerdiagnose, wie sie beispielsweise in Motor-Getriebe-Einheiten angewendet wird. Diese Einheiten kommen nicht nur in Werkzeugmaschinen zum Einsatz, sondern auch in Förderbändern, Pressen und den Walzen eines Stahlwerks.
Da Maschinenantriebe fast unablässig in Betrieb sind, müssen sie intensiv gewartet werden, um einem Produktionsausfall vorzubeugen. Ein großer Wunsch der Betreiber liegt deswegen darin, jederzeit den Zustand der Antriebskomponenten zu kennen. Den Lagern als zentrales Maschinenelement kommt dabei besondere Bedeutung zu.
Mit der neuen Generation des Diagnosesystems FAG SmartCheck geht Schaeffler jetzt einen Schritt weiter. Das System erkennt nicht nur drohende Lagerschäden, Verschleiß und Auffälligkeiten wie Unwuchten und Ausrichtfehler anhand von Veränderungen in den Schwingungsmustern, sondern ist auch an eine Cloud angebunden. Aus den übermittelten Rohdaten des FAG SmartCheck und weiteren Daten, beispielsweise aus der Maschinensteuerung, erstellt das System in der Cloud eine automatisierte Diagnose.
Die Restlaufzeit von Wälzlagern berechnen
Systeme wie der FAG SmartCheck werden auch als „Condition Monitoring“-Systeme bezeichnet. Sie ermöglichen die automatische Diagnose des Zustands von Wälzlagern und Maschinenteilen. Liegen die Daten in einer Cloud, dann können sie aber auch für weitere Berechnungen genutzt werden – etwa für Simulationen von Antriebsstrang und Wälzlagern hinsichtlich ihrer statischen und dynamischen Festigkeit.
Mit Hilfe der realen, im laufenden Betrieb erfassten Lasten kann Schaeffler im Auftrag der Betreiber in frei definierbaren Zeitabständen fortlaufend die Restlaufzeit der Lager berechnen. Dazu greift das Schaeffler-Berechnungstool BEARINX auf die Daten in der Cloud zurück. Dem Kunden werden als Ergebnis auf seinem internetfähigen Endgerät alle Restlaufzeiten der Lager einer Maschine angezeigt.
Die Lösung von Schaeffler basiert auf drei zentralen Elementen:
- einer geeigneten Sensorik, die aussagefähige Belastungsdaten über die Maschine und die verwendeten Lager sammelt,
- Simulationsmodellen, die abhängig von den Dimensionen der Maschinen und den tatsächlichen Lasten die Restlaufzeit berechnen,
- einer Software-Plattform, über die der Kunde Zugriff auf die Berechnungen hat und Informationen zu seiner Maschine individuell abrufen kann.
Wartungsintervalle optimal planen
„In der Fabrik lässt sich dadurch beispielsweise die Planung der Produktion optimieren. Wenn die Auftragslage es erfordert und es der Maschinenzustand erlaubt, kann man die Produktion erhöhen. Oder man drosselt die Produktion bei niedrigerer Auftragslage, um sie auf ein Wartungsintervall abzustimmen.“
Auf diese Weise können Produktionsmaschinen nicht mehr auf Basis eines Zeitintervalls oder einer akuten Störung, sondern belastungsabhängig und bedarfsgerecht gewartet werden. Das bringt viele Vorteile – etwa eine höhere Produktivität, indem die Auslastung in der Produktion an den Zustand der Maschinenelemente gekoppelt wird. Außerdem können Ersatzteile just-in-time bestellt und damit die Kosten für die Lagerhaltung gesenkt werden. Und nicht zuletzt können die Wartungsintervalle optimal ausgenutzt und damit die Gesamtbetriebskosten gesenkt werden. Selbst bei beginnenden Schädigungen eines Lagers kann Predicitive Maintenance weiterhelfen: Wenn der Betreiber weiß, wie lange die Funktionsfähigkeit eines Lagers noch erhalten bleibt, kann er valide Entscheidungen über den Weiterbetrieb der Produktion treffen.
Vom Projektgeschäft in die Serie

Schaeffler will aus den bislang erarbeiteten technischen Ansätzen standardisierte Gesamtlösungen erarbeiten. „Wir haben die Sensorik, die Berechnungsmodelle und die Software-Plattform und stehen unmittelbar vor der Entwicklung zur Serienreife“, sagt Keßler.
Erste Pilotanwendungen gibt es bereits, etwa die voll vernetzte und an die Cloud angebundene „Werkzeugmaschine 4.0“ im Schaeffler-Werk in Höchstadt, mit der Genauigkeitslager in Serie produziert werden. Aber auch in anderen Industrieanwendungen kann „Predictive Maintenance“ von großem Vorteil sein. Etwa bei Windkraftanlagen im Offshore-Bereich: „Wenn man im Voraus berechnen kann, ob ein Windkraftgetriebe die nächste Starkwindperiode von September bis März noch überstehen wird, kann der Betreiber bedarfsgerecht entscheiden, ob das Getriebe noch vor Winterbeginn gewartet werden soll“, erläutert Keßler.
Mit der Abstimmung der Wartung auf die tatsächlichen Betriebsbedingungen läutet Schaeffler einen Paradigmenwechsel im Maschinenbau ein. Denn mit den gemessenen Lastkollektiven wird es in einem zweiten Schritt möglich sein, einzelne Komponenten und ganze Maschinen für die jeweilige Beanspruchung völlig neu zu konstruieren und auszulegen.