Auf der Schiene bleiben
Flexible Wartungsintervalle können die Produktivität im Schienenverkehr erhöhen. Schaeffler stellt die dafür benötigte Technik zur Verfügung.
Sicherheit geht vor
Tempo 300. Die Fahrgäste spüren nicht viel davon, einige lesen, andere unterhalten sich bei einer Tasse Kaffee im Bordbistro. Die Schwerarbeit leisten derweil 32 Radsätze, die den 500 Tonnen schweren Zug auf dem Gleis halten. Sie tragen nicht nur das Gewicht und sind Erschütterungen ausgesetzt, sondern müssen bei jeder Kurve auch die Seitenführungskraft abfangen. Besonders belastet ist das Radsatzlager, das die Schnittstelle zwischen dem Radsatz und dem mit dem Wagen verbundenen Drehgestell darstellt. Radsatzlager von Schaeffler kommen weltweit in Schienenfahrzeugen zum Einsatz, von der U-Bahn bis zum Hochgeschwindigkeitszug.

Für einen deutschen ICE ist ein Ausbau des gesamten Radsatzlagers nach 1,2 Millionen Kilometern vorgesehen. Da ein ICE aber im Schnitt 1.500 Kilometer pro Tag fährt, ist die Instandhaltungsmaßnahme bereits nach knapp zwei Jahren fällig – unabhängig davon, wie der technische Zustand des Lagers tatsächlich ist. Die Radsatzlager werden nicht entsorgt, sondern demontiert, inspiziert und wieder aufbereitet – ein aufgrund des Ein- und Ausbaus aufwändiger und kostenintensiver Prozess. Da liegt die Idee nahe, den Zustand des Radsatzlagers während des Betriebes permanent zu beobachten und die Lager nicht mehr auf Verdacht, sondern nur bei tatsächlich auftretendem Verschleiß auszutauschen. Schaeffler bietet dafür mit dem sogenannten „Condition Monitoring“ die benötigte Technik.
Wartungsintervalle verlängern
So hart das Leben eines Radsatzlagers sein mag: Stammt es von Schaeffler, tritt auch nach mehr als einer Million Kilometern unter normalen Betriebsbedingungen kein Verschleiß an den mechanischen Bauteilen auf – die Radsätze könnten also länger im Einsatz sein, als es die vorgeschriebenen Wartungsintervalle zulassen. Kritischer Punkt ist oft der Schmierstoff, in dem das Radsatzlager läuft. Durch Scherkräfte, Drücke und hohe Temperaturen während des Betriebs altert der Schmierstoff sowohl mechanisch als auch chemisch und verliert allmählich seine Wirkung. Im Extremfall kann es zum sogenannten „Heißlaufen“ des Radsatzes kommen – was die sofortige Außerbetriebnahme des Zuges zur Folge hätte.
Wie schnell sich dieser Alterungsprozess vollzieht, ist stark von den Einsatzbedingungen abhängig. Hier setzt das Condition Monitoring-System von Schaeffler an. Denn in den Radsatzlagern messen Sensoren permanent die wichtigsten auftretenden Belastungen: Drehzahl, Temperatur und Vibration. Die Daten werden zunächst an eine Auswerte-Einheit gesendet, die sich innerhalb des Drehgestells befindet. Dieser Minicomputer berechnet laufend die verbleibende Gebrauchsdauer des Schmierfettes nach einer von Schaeffler-Experten entwickelten Formel. Diese Kennzahl kann nicht nur an Bord als Klartext dargestellt werden, sondern auch für eine bedarfsabhängige Planung der Wartungsintervalle genutzt werden.
Ein solches Vorgehen würde es erlauben, die Prognosefähigkeit so weit zu verbessern, dass eine alterungsabhängige Verlängerung der Wartungsintervalle bei gleichbleibend hoher Sicherheit und Zuverlässigkeit möglich ist. In Zeiten steigenden Verkehrsaufkommens ein echter Mehrwert für den Betreiber und den Fahrgast.

Antriebseinheit überwacht sich selbst
Immer häufiger setzen die Hersteller von Schienenfahrzeugen auf Unterflurantriebe. So wird beim ICE 3 jeder zweite Radsatz von einem 500 Kilowatt starken Elektromotor angetrieben. Der damit einhergehende Verzicht auf den Triebwagen bedeutet gewonnene Transportkapazität. Es ist grundsätzlich möglich, das Condition Monitoring System vom Radsatzlager auf den kompletten angetriebenen Radsatz auszuweiten.

„Wir nutzen dabei den gleichen Lösungsansatz, den wir auf der Hannover Messe für den Maschinen- und Anlagenbau gezeigt haben“, so Dr. Holzapfel. Im Rahmen einer Sonderschau zur vorausschauenden Instandhaltung hatte Schaeffler eine Antriebseinheit aus Motor, Getriebe und Kupplung vorgestellt, die sich selbst laufend überwacht. Für den Einsatz in Personenzügen wurden nun spezifische Funktionen programmiert. Beispielsweise erkennt das System anhand der Messdaten auch externe Einflüsse wie Flachstellen an Radreifen, die aufgrund ihrer Geräuschentwicklung den Fahrkomfort negativ beeinflussen und den Verschleiß von Fahrzeug und Fahrweg erhöhen. Eine solche Diagnose kann als Klartextmeldung im Führerstand angezeigt werden.
Noch handelt es sich bei dem Schaeffler Condition Monitoring System um ein Konzept. Eine Variante eines solchen Systems überzeugte 2015 schon in Fahrversuchen. Derzeit wird das aktuelle System gemeinsam mit verschiedenen Kunden erprobt und soll dann in der Praxis nachweisen, dass es die Produktivität im Schienenverkehr erhöht.